Moin Werderfans!
Aktuell ruft ein breiter Zusammenschluss verschiedener Fanszenen aus Deutschland zu einem Stimmungsboykott auf. Grund dafür ist vor allem die aktuelle Entwicklung rund um die zunehmende Spieltagszerstückelung. Geeinigt wurde sich für den Protest auf den kommenden, unter der Woche stattfindenden, 5. Spieltag. Außerdem wurde sich für ein zeitnahes Zeichen entschieden, da die DFL diesen Monat den TV-Vertrag und infolge dessen auch die groben Rahmenspieltage für die Saisons ab 2021/2022 ausarbeiten wird. Grund genug, die eigene Kritik an den fanunfreundlichen Anstoßzeiten und aktuellen Entwicklungen in die Stadien zu tragen.
Wir stimmen zu, dass es nicht darum gehen kann, möglichst viel Kohle aus den TV-Verträgen rauszupressen und dabei darauf zu scheißen, dass die Fans, die an einem Montag hunderte Kilometer fahren, um ihren Verein zu unterstützen, es nach Abpfiff um 22:15 Uhr kaum noch schaffen, nach Hause zu kommen. Wir haben keinen Bock auf Zustände wie in Spanien, wo die Spiele aufgrund ihrer Anstoßzeiten fast nur noch für Leute vor dem Fernseher zu verfolgen sind. Für uns muss es um das Herzstück der Vereine gehen, um diejenigen, ohne die das ganze Spektakel nur halb so interessant wäre: um die Fans.
Auch wenn es sinnvoll ist, die DFL und den DFB in den Fokus der Kritik zu nehmen und Druck aufzubauen, ist es unserer Meinung nach etwas zu kurz gedacht, nur diese beiden Akteure zu adressieren, da sich vor allem die Vereine aktiv für die Faninteressen einsetzen und Druck aufbauen müssen. Es kann nicht damit getan sein, im Stadion „Fick dich DFB“ zu rufen und gleichzeitig nicht den Dialog und die Diskussion mit den Hauptverantwortlichen im eigenen Verein zu suchen. Denn auch wenn der DFB und die DFL natürlich zu den Hauptprotagonisten gehören, darf nicht vergessen werden, dass auch ein Großteil der Vereine der oberen Spielklassen für die Spieltagszerstückelung verantwortlich war und ist und in den Chefetagen der Vereine gerne die Faninteressen ignoriert werden, sobald ein größerer Profit in Aussicht ist.
Fußball ist eine Ware in einer Warengesellschaft. Wer glaubt, dass man die Uhr zurückdrehen kann, indem man nur einzelne Punkte oder Symptome eines großen Problems anprangert, ist naiv. Für uns gilt es heute wie damals, das große Ganze in den Blick zu nehmen, gegen eine kapitalistische Verwertungslogik anzukämpfen, dagegen, dass Kohle wichtiger ist als der einzelne Mensch und sich für eine solidarische Gemeinschaft innerhalb und außerhalb des Fußballs einzusetzen. Dazu gehört für uns auch, dass Rassismus, Sexismus und Homophobie keinen Platz im Stadion und außerhalb haben.
Auch deswegen wollen wir die Aktion der Fanszenen nicht einfach mittragen. Dieses Zweckbündnis mag für einige Ultràgruppen die vermeintlich einzige Lösung sein, um etwas zu verändern und wir begrüßen, dass sich Leute zusammenschließen und gemeinsam für ihre Interessen eintreten. Für uns ist allerdings wichtig, mit wem man so ein Bündnis eingeht. Einige der vielen Gruppen stehen absolut gegen unsere Grundwerte, weswegen wir nicht das kleinere Übel wählen und uns weder mit den Parteien an einen Tisch setzen, noch den angedachten Stimmungsboykott komplett mittragen werden. Nicht um jeden Preis.
Der Kampf gegen die Zerstückelung der Spieltage und für fangerechte Anstoßzeiten ist auch ein Kampf für unsere Freiheit. Die Freiheit, in unserer Kurve zu stehen. Die Freiheit, das Spiel unseres Vereins live im Stadion zu erleben, egal wo und wann es stattfindet. Darum macht es keinen Sinn für uns, in diesem Kampf mit anderen Fanszenen und Gruppen zusammen zu arbeiten, die teilweise in ihren Kurven, aus freien Stücken heraus, die Freiheit von beispielsweise Homosexuellen, Frauen oder nicht weißen Menschen, einschränken oder sie gar nicht erst in ihren Reihen dulden. Fußball und Ultrà ist Freiraum. Um diesen zu erhalten, gilt es aktiv zu werden.
Deshalb wollen wir ein Zeichen setzen, allerdings ohne im Einheitsbrei der anderen deutschen Fanszenen mitzuschwimmen, in dem leider, sicher nicht alle, aber trotzdem viel zu viele andere Gruppen und Szenen vertreten sind, die bereits mehrfach durch diskriminierendes Verhalten, Spruchbänder oder Aktionen aufgefallen sind.
Wir wollen symbolisch Bezug nehmen auf die Anstoßzeit unseres Dienstagsspiels. Beim Hertha-Heimspiel werden wir 18:30 Minuten lang, statt der vom Bündnis angedachten 20 Minuten, unseren Support ruhen lassen. Wir laden alle ein, sich uns anzuschließen.
Infamous Youth, Caillera, UltrA-Team Bremen und Intesa Verde im September 2018