Wir schließen uns den Worten von »vert et blanc« an. Es nervt.
Wir freuen uns enorm über den aktuellen sportlichen Erfolg Werders. Über Florian Kohfeldts fußballerische Vision, Frank Baumanns Kaderplanung und über das Auftreten der Mannschaft. Wir überlassen das Jubilieren aber Anderen.
Wir freuen uns überhaupt nicht über die Unsitte, dass im Weserstadion gewonnene Spiele seit einiger Zeit wieder mit dem »Sieg!«-Gegröle gefeiert werden. Wir haben uns in unserem Blog mehr als einmal über diese abstoßende Kollektivgeste beklagt – müssen aber eingestehen, dass das Gegröle in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen hat (ob das Teil einer jüngst zu beobachtenden Diskursverschiebung nach rechts ist, müsste genauer untersucht werden…).
Nach dem Heimsieg gegen Hertha war das Geschrei sowohl im Stadion als auch in der Fernsehübertragung deutlicher zu hören als zuvor. Der Verein versucht mittlerweile sogar, die Sieg-Rufe in digitale Medien zu übersetzen. Wir haben nach Spielende zu viele Diskussionen geführt und sie setzten sich in den vergangenen Tagen im Netz fort. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Es ist uns herzlich egal, dass nicht jedes Mal ein »Heil!« im Anschluss zu hören ist. Im rechtsradikalen Kontext ist der Ursprung der Rufe zu finden und damit auch der Grund, warum sich sowohl Vereine als auch DFB-Offizielle seit den 1990er Jahren immer wieder gegen das Fangegröle positionierten. Aber auch ohne die nachgeschobene Komplettierung der nationalsozialistischen Grußformel oder proto-faschistische Assoziationen bleibt das»Sieg!«-Stakkato aus tausend Kehlen ein martialisches und enorm unsympathisches Gebaren. Es nervt.
Sportlicher Erfolg lässt sich ästhetischer feiern…Kurve kriegen…
So wie viele andere vermeintliche Selbstverständlichkeiten ist eine nazifreie Ostkurve erstritten worden – auch das haben wir mehrfach betont. Zivilisatorische Errungenschaften können wieder verloren werden, etwa indem Grenzen des Sag- oder Machbaren verschoben werden (eine Strategie, die am rechten Rand des politischen Spektrums dieser Tage präzise beobachtet werden kann). Wir fordern unsere Leserinnen und Leser auf, nicht Teil des »Sieg!«-Stakkatos zu werden. Sucht die Diskussion mit Euren Stadionnachbarn. Sprecht die Trommler im Oberrang an, es rhythmisch nicht weiter vorzubereiten. Bittet die Verantwortlichen des Vereins, sich dagegen auszusprechen (oder es wenigstens nicht wie zuletzt aktiv weiterzuverbreiten). Dass konsequente Positionierung entsprechende positive Resultate haben kann, zeigt folgende Anekdote, an der sich Werder dieser Tage wieder ein Beispiel nehmen könnte:
»Als Volker Finke in den 1990er Jahren den SC Freiburg trainierte, machte er klar: Entweder hören die ›Sieg!‹-Rufe auf – oder es geht nach Abpfiff kein Spieler mehr in die Kurve. Ergebnis: Das Gegröle verstummte.« (via Lizas Welt)
Es geht also.