Kommuniqué zu den anstehenden Geisterspielen

Die DFL stellt dieser Tage ihre Verkommenheit und Würdelosigkeit deutlich unter Beweis. Konsequent hält sie sich an ihre oberste Handlungsmaxime: die Wahrung der Interessen der Sponsoren und TV-Sender. Der Entschluss, den Spielbetrieb wiederaufzunehmen, kommt für uns insofern wenig überraschend, so absurd er auch ist. Die Bedürfnisse und Anliegen der Fans wurden bei der Entscheidung ignoriert. Das Vorgehen der DFL entlarvt erneut die Behauptung sozial verantwortlich zu agieren als inhaltsleere Worthülse. Sie nutzt das Bekenntnis zu sozialer und gesellschaftspolitischer Verantwortung als Feigenblatt, um zu verhüllen worum es ihr eigentlich geht: die Durchsetzung knallharter wirtschaftlicher Interessen. Als Ultras wehren wir uns seit vielen Jahren gegen diese Machenschaften. Der Fußball ist einer absurden Vermarktungsdynamik ausgesetzt, deren vorläufiger trauriger Höhepunkt die aktuelle Entscheidung zur Fortsetzung der Bundesligasaison ist.

Mit dem Ausschluss der Zuschauer*innen entsteht ein trauriges und dystopisches Szenario. Die Geisterspiele bedeuten für uns als Gruppe und für alle Grün-Weißen eine völlige Entkopplung von unserer Mannschaft. Wir sind gezwungen den Abstiegskampf unseres SV Werder aus der Ferne zu verfolgen. Das zerreißt uns das Herz. Trotzdem werden wir, unter Beachtung der Kontaktbeschränkungen, versuchen der Mannschaft zu zeigen, dass wir da sind und hinter ihr stehen. Gleichzeitig werden wir nicht zu einer Normalisierung der Geisterspiele beitragen und an Spieltagen weder im, noch am Stadion als Gruppe auftreten. Dies gilt konsequenterweise auch für optische Stilmittel während der Geisterspiele. Fußball ohne Fans ist wie eine Simulation: Surreal, steril und ohne Herz. Die lächerlichen Versuche, die Fans durch Pappfiguren oder „dekorative“ Werbebanner zu ersetzen, werden die gähnende Leere nicht im Ansatz füllen können. Diese Versuche eine lebendige Fankultur austauschbar zu machen sind zum Scheitern verurteilt. Anstatt sich der Schaffung einer künstlichen Atmosphäre zu widmen, sollten sich Vereine lieber ernsthaft mit Interessen und Perspektiven aktiver Fans auseinandersetzen.Wir sind nicht ersetzbar.

Wichtig für unsere Kritik ist es, den Fußball nicht losgelöst von der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu betrachten, in der er existiert. Auch die Bundesliga ist dem kapitalistischen Prinzip unterworfen, dauerhaft Profite erwirtschaften und Mehrwerte schaffen zu müssen. Eine moralische Empörung erscheint uns insofern nicht als passende Reaktion auf die Fortsetzung der Saison. Wir haben nie daran geglaubt, dass die DFL einen Sinn für soziale Verantwortung hat oder einer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht wird.

Die Entscheidung die Saison fortzuführen ist nicht alternativlos und der Verweis auf Sachzwänge, die einen Abbruch angeblich unmöglich machen, vorgeschoben. Die Kompensation finanzieller Verluste und die Existenzsicherung angeschlagener Vereine ist umsetzbar, wenn die Bundesligisten sich auf einen gemeinsamen Mechanismus einigen. Es ist bezeichnend, dass eine Solidarität und Einigkeit unter den Clubs selbst in einer Ausnahmesituation wie dieser nicht möglich zu sein scheint. Gemeinsam wäre eine starke Verhandlungsposition gegenüber Sponsoren und TV-Anstalten möglich, um kulante Regelungen für den Umgang mit einem Saisonabbruch zu finden und diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende zu bereiten.

Wir fordern einen sofortigen Abbruch der Saison. Fußball sollte in den Ligen erst wieder gespielt werden, wenn Zuschauer*innen an den Spielen teilnehmen können.

Infamous Youth im Mai 2020