Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass einige Fangruppen RB Leipzigs aus dem „Fanverband“ austraten, weil sie diese Versammlungen als inhaltsleer ansahen und die Entscheidungshoheit seitens der Funktionäre für sie nicht mehr tragbar war. Fatal für einen Verein, der die Hürden für eine Vereinsmitgliedschaft so hoch ansetzt, dass es ohnehin nur eine Handvoll entscheidungsberechtigter Mitglieder gibt, die alle dem Unternehmen Red Bull verbunden sind. Kritisiert wird allgemein, dass der Club sich durch das Geld der Marke Red Bull in die 1. Liga spielen konnte und Spieler RB Leipzigs und RB Salzburgs beliebig oft hin und her wechseln werden können. Der Vorwurf, der Verein habe seine sportlichen Erfolge nicht durch „ehrliche“ Leistung in einem „fairen“ Wettbewerb verdient, erscheint auf den ersten Blick nicht unbegründet. Aber wie fair ist dieser Wettbewerb eigentlich?
Nicht zuletzt die „Nein zu RB“ Kampagne und den damit einhergehenden Boykottaktionen lassen außer Acht, dass der Fußball in einer kapitalistischen Gesellschaft logischerweise auf Profitmaximierung ausgerichtet ist – und das nicht nur in Leipzig, Hoffenheim oder Ingolstadt. Schon die Gründung der Bundesliga markierte den Übergang vom Amateurismus zum Profitum. Der Streit darum geht bis in die Anfangstage des Fußballs zurück. Tatsächlich gibt es etliche „große“ und etablierte Vereine, die zwar formal an die „50+1“-Regelung gebunden sind, jedoch von den Zuwendungen ihrer Sponsoren und Investoren abhängig sind und von diesen beeinflusst werden. Das alles ist kein neues Phänomen: Der erste deutsche Verein, der Trikotwerbung seines Sponsors einführte, war 1973 Eintracht Braunschweig. Die erste deutsche Fußball-Kapitalgesellschaft, die an die Börse ging, war 2000 die Borussia Dortmund GmbH & Co. KgaA, welche zuvor aus dem Verein ausgegliedert worden war. Der erste deutsche Verein, der seinen Stadionnamen verkaufte, war 2001 der Hamburger SV. Drei erklärte „Traditionsvereine“, die in der Kapitalbeschaffung neue Wege gingen und mit alten Traditionen brachen. Traditionen, die schon immer offen für Gönner und Mäzene waren.
Dennoch wird ein Schreckensszenario gezeichnet, dass „Traditionsvereine“ von „Emporkömmlingen“ nach und nach in die unteren Ligen verdrängt und ihre privilegierte Stellung verlieren würden. Aber auch unsere lieben „Traditionsvereine“ spielen nach diesen Regeln, weswegen wir es paradox finden, dass die Kommerzialisierung im eigenen Verein von den meisten als notwendiges Übel oder gar berechtigt gilt, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wir finden es falsch, uns auf sogenannte Retortenvereine oder Plastikclubs, welche nur die Spitze des Eisbergs markieren, einzuschießen.
Deshalb fahren wir Sonntag nach Leipzig und unterstützen unsere grün-weiße Elf. Wir möchten betonen, dass dies kein Aufruf ist, alles hinzunehmen, was einem vor die Füße geschmissen wird. Es ist notwendig, sich für einen angenehmeren Fußball und Mitbestimmung einzusetzen. Wir wissen beispielsweise zu schätzen, dass das Weserstadion noch seinen ursprünglichen Namen trägt. Zweifelhaft ist für uns aber die Art der Kritik, welche nur einen Teil des Problems ins Auge nimmt und dabei völlig ausblendet, warum der Fußball so funktioniert, wie er es tut. Es ergibt für uns keinen Sinn, RB zu boykottieren und dabei ernsthaft davon überzeugt zu sein, das Richtige zu tun. Um prominent zu zitieren: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“ Konsequent wäre also eine allgemeine Kritik am Kapitalismus, nicht nur bei RB, nicht nur im Fußball, sondern überall!
Infamous Youth, Caillera, L’Intesa Verde, UltrA-Team Bremen