Moin Werderfans!
Schon lange stand der Verkauf beziehungsweise die Änderung des Stadionnamens im Raum. Schon lange blickten wir Fans gebannt auf die Verhandlungen, forderten von Seiten des Vereins Transparenz und eine Gewissheit, dass der Stadionname auch nach dem Auslaufen des Vertrags mit EWE beibehalten wird. Doch am Ende steht die Einsicht, dass wir Fans mit unseren Belangen wohl das kleinste Zünglein an der Waage sind und sich nun auch der SV Werder dazu entschließt, seinen Stadionnamen herzugeben.
Nun ist dieser Entschluss nicht gänzlich verwunderlich. Schon zu Zeiten des erwähnten Vertrags mit EWE hatte sich die Führungsriege des SV Werder zum Verkauf der Namensrechte bewegen lassen. So verstand sich der Vertragspartner zwar als Inhaber der Namensrechte, behielt den Namen „Weserstadion“ aber weiter bei und agierte lediglich als spendabler Geldgeber. Eine kreative Lösung in Zeiten, in denen die Mechanismen des Kapitalismus auch im Profifußball zunehmend spürbar werden und der Versuch höhere Einnahmen zu erzielen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, lediglich eine logische Schlussfolgerung darstellt. Denn der Druck immer effizienter zu werden, möglichst viele Gewinne zu erwirtschaften und den Verein mit der Zeit zu einem Wirtschaftsunternehmen zu wandeln, wird von Jahr zu Jahr größer und lässt den sportlichen Wettbewerb mehr und mehr mit einem wirtschaftlichen Wettbewerb Hand in Hand gehen. Spieltagszerstückelungen, Investoren und der Verkauf von Namensrechten von Tribünen oder ganzen Stadien sind dabei ein gängiges Mittel. Überraschend kommt der Entschluss der Werder-Geschäftsführung also nicht. Und dennoch ist folgender Punkt zu beachten: Der Profiteur des Deals ist keineswegs die SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA sondern in erster Linie die „Bremer Weser-Stadion GmbH“ – kurz BWS – , deren finanzieller Haushalt jährlich mit 2,75 Mio. € aufzustocken ist und als deren Inhaberin zu einer Hälfte die Stadt Bremen gilt. Der Deal zwischen der Wohninvest Holding GmbH und der Werder-Geschäftsführung spielt hinsichtlich sportlicher Entwicklungen und möglichen Transfers also keine große Rolle, denn er bedeutet vor allem die finanzielle Entlastung der Stadt Bremen, die sich zwar dann und wann mit ihrem sportlichen Aushängeschild brüstet, sich aber in keiner Weise bereit erklärt, ihrer finanziellen Verantwortung nachzukommen, was uns sowohl im Fall „Polizeikosten“ als nun auch in diesem Fall vor Augen geführt wird. Die Bremer Regierung zieht sich also aus der Affäre und überlässt dem SV Werder die zu zahlende Summe. So gesehen ein logischer Schritt, den die Werder-Geschäftsführung nun geht, um Gelder einzusparen und sich nicht allein finanziell verantworten zu müssen.
Dennoch sind wir verwundert, denn während man seitens der Geschäftsführung in der Vergangenheit immer wieder betont hatte, sich auch die kreativen Ideen der Fans zur Erhaltung des Stadionnamens anzuhören und in die Überlegungen mit einzubeziehen und sich nur dann zu einem Verkauf zu bewegen, wenn auch der passende Vertragspartner gefunden worden ist, zeichnet die Realität ein anderes Bild: Der Verein glänzte gegenüber seinen Fans vor allem durch intransparentes und unehrliches Handeln. Während es im Februar auf Anfragen des Fanbeirats, bestehend aus Ultras und dem Dachverband Bremer Fanclubs, noch keine Aussagen hinsichtlich konkreterer Pläne gab, wir Fans kreative Finanzierungs-Ideen, wie zum Beispiel den Kartenverkauf für ein fiktives Spiel, dessen Einnahmen ausschließlich zur Deckung entsprechender Kosten verwendet werden sollen, vorstellten und man sich seitens der Geschäftsführung transparent zeigen wollte, sollte es neue Erkenntnisse geben, begannen die offiziellen Verhandlungen am Ostersamstag – ohne jedoch den Fanbeirat über diese Entwicklungen zu informieren. Erst auf erneutes Nachfragen seitens des Fanbeirats, gab man letzten Montag den neusten Stand bekannt und ließ verlauten, dass es fortgeschrittene Verhandlungen gäbe, die noch jeder Zeit platzen könnten. Auch hier versicherte man, den Fanbeirat vor einer möglichen Unterschrift zu informieren, um zu verhindern, dass man erst durch die Medien vom Vertragsabschluss erfahren würde. Was dies letztendlich heißt, zeigen die neusten Artikel, die nur wenige Tage später in den Medien kursierten und denen schon erste Vertragsdetails wie Laufzeit, Vertragssumme und geplante Werbeflächen zu entnehmen waren.
Auch die Aussagen der Führungsriege hinsichtlich der Namensrechte erschrecken angesichts der neuen Vertragspartnerin „Wohninvest Holding GmbH“. So wurde Geschäftsführer Frank Baumann im November noch wie folgt zitiert: „Viele Unternehmen verstehen unseren Grundaspekt, den Namen Weserstadion erhalten zu wollen und können sich das grundsätzlich auch vorstellen. Wir sind aber auch nicht blind und wissen, dass die finanzielle Komponente auch eine Rolle spielt. Geld spielt aber nicht die entscheidende Rolle. Die Marke muss zu unserer Philosophie passen.“ Weiter heißt es auch: „Wir suchen ein Unternehmen mit gesellschaftlicher Verantwortung.“ Aufsichtsrat-Chef Marco Bode wurde darüber hinaus erst kürzlich wie folgt zitiert: „Wir sind ein Verein, der sich sozial engagiert und auch politisch positioniert.“
Nun stellt sich jedoch die Frage, wo eine Firma, die in Werbespots mit einer fiktiven Kleinstadtidylle wirbt, in der jedoch ausschließlich weiße Menschen leben, zu dem antirassistischen Engagement des SV Werder passt. Wo sehen die Verantwortlichen in ihrem Vertragspartner das gesellschaftliche Engagement und die Werte des Vereins vertreten? Wie viele Firmen der Immobilienbranche steht auch die Firma Wohninvest vor allem für eines: Ungleichheit und Verdrängung. Sie sind maßgeblich am sozioökonomischen Strukturwandel von Stadtteilen beteiligt und dafür verantwortlich, dass in diesem Rahmen ganze Bevölkerungsgruppen verdrängt werden. So verlieren jährlich zig Menschen ihre Wohnungen, da sie sie aufgrund von zu hohen Mieten nicht mehr halten können und so zum Wegzug gezwungen werden. Unabhängigen Vermieter*innen werden Häuser in guten Lagen abgekauft und Mieter*innen vor die Tür gesetzt. Wo eben noch die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern eine Bleibe über dem Kopf hatte, wohnt jetzt der junge Bankier, der gutes Geld verdient. Wo Wohnungen leer stehen, die man Geflüchteten zur Verfügung stellen könnte, um sie nicht in Wohncontainer zu stecken, entstehen neue Büroräume. So das alltägliche Geschäft.
Wenn also zukünftig der Name „Wohninvest“ das Weserstadion ziert, dann wird der SV Werder an seine Scheinheiligkeit, stets die eigenen Werte dem Geld vorzuziehen, erinnert. Hält man sich nun noch mal die oben erwähnten Worte Frank Baumanns vor Augen, so stellt sich die Frage: Wenn Geld nicht die entscheidende Rolle spielt, was dann? Letzten Endes hat die soziale Verantwortung des Vereins bei diesem Deal das Nachsehen und mal wieder stellt ein Sponsoring-Vertrag die Doppelmoral der Geschäftsführung unter Beweis. Und das alles damit ein zwielichtiger Sponsor sich mit seinem gönnerischen Engagement im vermeintlichen Glanz seines Vertragspartners reinwaschen kann kann.
Das Kind scheint vielleicht schon in den Brunnen gefallen und der Verkauf des Stadionnamens so gut wie beschlossene Sache zu sein. Letzten Endes muss einem geschichtsträchtigen Verein wie dem SV Werder das eigene Stadion und dessen Name, der über 90 Jahre mit dem Verein in Verbindung gebracht wird, jedoch so viel Wert sein, dass man alles daran setzt, den Stadionnamen zu erhalten. Denn der Name „Weserstadion“ ist Identifikationsmerkmal unseres Vereins und größer als jeder Spieler. Mit ihm verbinden Werderfans von jung bis alt emotionale Momente, freundschaftliche Bindungen und große Spiele. Wir fordern die Geschäftsführung des SV Werder daher auf, sich noch einmal genaustens zu überlegen, ob man seine Unterschrift unter diesen Vertrag setzen will oder, ob es nicht durchaus auch andere Lösungen geben kann.
Für immer Weserstadion!
Caillera Ultras
Infamous Youth
UltrA-Team Bremen
L’Intesa Verde
Ultra‘ Boys
Wanderers Bremen
HB Crew