Stellungnahme der Infamous Youth zum Polizeieinsatz beim Auswärtsspiel in Köln am 6.12.2009
Beim Auswärtsspiel am vergangenen Wochenende kam es zu einem Polizeieinsatz, den wir nicht unkommentiert lassen wollen.
Schon bei Abfahrt unseres Busses in Bremen war die Polizei anwesend. Dies ist keine Seltenheit, das Besondere aber war, dass die Polizei sich das Busunternehmen sowie die Kennzeichen notierte und versuchte, den Fahrer in ein Gespräch zu verwickeln.
Nach ereignisloser Hinfahrt ohne Auffälligkeiten, die die Polizei hätten auf den Plan rufen können, erreichten wir Köln. Bei Ankunft am Busparkplatz bemerkten wir, dass sich mindestens doppelt soviel Polizei wie Businsass_innen versammelt hatte und auf uns wartete. Die Einsatzleitung betrat nun ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Busfahrer bzw. unserer Fahrtleitung den Bus und machte per Megafon im Bus die Ansage, dass es eine Kontrolle aller Businsass_innen geben würde. Die Begründung der Polizei hierfür war, dass vor zwei Wochen im Rahmen einer Busreise des selben Unternehmens an einer Raststätte ein Diebstahl durch eine/n Mitreisenden begangen worden wäre. Die Polizei Bremen hätte nun, zwei Wochen später, angeordnet, die Insass_innen der Busse dieses Reiseunternehmens, sofern diese nach Köln fahren würden, zu kontrollieren. Das sowohl schwerwiegende, als auch naheliegende Problem, dass die Busbesatzung an diesem Tag sich von der der Freiburgfahrt unterscheiden könnte, stellte für die Einsatzleitung offensichtlich kein Hindernis dar. Stattdessen schien man sich dafür entschieden zu haben, auf Abwägungen bzgl. der Verhältnismässigkeit des bevorstehenden Einsatzes zu verzichten und alle Mitfahrer_innen unter Generalverdacht zu stellen. Ein Umstand, der vor dem Hintergrund der Schwere der folgenden Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, für sich selbst spricht.
Als alle Leute den Bus verlassen hatten, wurden sie einzeln kontrolliert. Neben der Personalienaufnahme wurden auch Fotos jeder Person gemacht.
Während der Kontrolle liefen auffällig viele Bürger_innen um den mittlerweile gezogenen Kessel herum und schossen Fotos. Auf die Bitte, dies zu verhindern, reagierten die Beamt_innen gar nicht oder in einem sehr harschen, ablehnenden Ton. Dass die Polizei das Recht am eigenen Bild nicht durchsetzte, obwohl genügend Beamt_innen anwesend waren, die dies hätten tun können, lässt uns vermuten, dass die Polizei dies gezielt unterliess, um eine noch unangenehmere Atmosphäre entstehen zu lassen.
Die Grundstimmung unter den Beamt_innen war sehr aggressiv, obwohl wir uns kooperativ verhielten und dies trotz der, auf einer Ankündigung des Einsatzleiters beruhenden, Gewissheit, das komplette Spiel zu verpassen. Auch der Toilettengang wurde strikt verweigert. Es blieb also lediglich die erniedrigende Möglichkeit, das Verbot zu umgehen, indem man sich ohne Sichtschutz und somit unter den Augen aller Beteiligten erleichterte, wobei die Polizei sogar dieses Vorgehen versuchte zu verhindern.
Während der Kontrolle, die sich insgesamt über 1 1/2 Stunden hinzog, kam es vermehrt zu Provokationen und Beleidigungen seitens der Beamt_innen, die es offensichtlich auf eine Eskalation abgesehen hatten. Wir haben den Eindruck, dass unsere Besonnenheit größteneils dazu beigetragen hat, dass es nicht zu körperlichen Übergriffen seitens der gereizt wirkenden Polizei kam.
Nach Abschluss der Maßnahme wurden wir in einem engen Spalier inklusive bereit stehender Pferdestaffel zum Stadion begleitet, auch hier wurde immer wieder durch kleine Rempler von den Beamt_innen provoziert. Mit Ende der ersten Halbzeit trafen wir im Stadion ein. Hier entschieden wir uns, an diesem Tag nicht organisiert als Gruppe aufzutreten, da zu viele Personen von dem zuvor Erlebten aufgewühlt waren.
Den Stadionverbotlern und anderen Draußengebliebenen wurde derweil außerhalb des Stadions die Ansage gemacht, dass sie im Falle von nichtkooperativen Verhalten „auf’s Maul kriegen würden“ (O-Ton Polizeibeamter). Während des gesamten Spiels standen die Leute ausserhalb des Stadions unter Beobachtung der Polizei. Dies gehört zwar zum Alltag für diese Personen, allerdings wurde die an diesem Tag von Beginn an verfolgte Provokationsstrategie intensiv fortgesetzt. Fast jede Handlung der Polizei zielte darauf ab, eine falsche Reaktion seitens der Fans hervorzurufen. Noch vor Spielende wurde ein enger Kessel um die Draußenstehenden gezogen, auf Nachfrage gab es – wie sooft an diesem Nachmittag – die Antwort „Halt dein Maul!“ oder alternativ „Verpiss dich!“.
Wie auf dem Hinweg wurden die Businsass_innen auch nach dem Spiel in einem engen Polizeikessel zum Bus zurückgebracht, auch hier verhielten sich alle Menschen unserer Reisegruppe gewaltfrei und ruhig.
Das absolut unverhältnissmässige Handeln der Polizei an diesem Tag hinterlässt für uns drei Interpretationsansätze:
Offensichtlich ist erstens, dass es der anordnenden Bremer Polizei um eine Aktualisierung der internen Datenbank ging und der angebliche Diebstahl auf der Freiburgfahrt als willkommener Anlass genommen wurde Personalienaufnahmen und Fotografien aller Mitreisenden vorzunehmen.
Zweitens sehen wir in der Strategie der Kölner Polizei den Versuch, eine Eskalation der Lage herbeizuführen. Denn dies hätte den großen Einsatz von weit über 100 Polizeibeamt_innen und einer extra herbeigeorderten Pferdestaffel für lediglich 48 Businsass_innen gerechtfertigt. Die Polizei tritt in den letzten Monaten verstärkt mit mehr Beamt_innen auf, selbst bei Spielen, bei denen ein solch großer Aufwand nicht einmal ansatzweise gerechtfertig erscheint. Diese Tendenz und die Vorfälle in Köln passen zu der momentanen Debatte, in der Expert_innen der Vereine und aus der Politik der Polizei unterstellen, die Einsatzkosten bei Fussballspielen in die Höhe zu treiben, um in der Diskussion um die Beteiligung der Vereine an deren Finanzierung, einen verbesserten Argumentationstandpunkt zu erlangen.
Weiterhin kommt drittens verstärkt das Gefühl auf, dass Einsätze dieser Art in letzter Zeit unternommen werden, um uns Fans zu schwächen und einzuschüchtern. Schon die Welle an Stadionverboten für die Bremer Fanszene in den letzten Wochen hat ihre Wirkung nicht verfehlt und auch die Mobilisierung von unverhältnismässig vielen Einsatzkräften bei unseren Spielen, inklusive ständigem provokativen Auftreten und überzogenem Handeln, hat einen stark repressiven Charakter. Denn im Gegensatz zu der im Sommer getätigten Aussage der Polizei Bremen, dass sie sich in Zukunft zurückhaltender und vorallem deeskalierender verhalten will, werden Maßnahmen ihrerseits ergriffen, die gezielt eine Eskalation der Lage fördern (sollen).
Wir werden uns dieses Auftreten der Polizei nicht gefallen lassen und ziehen in diesem Fall rechtliche Schritte in Erwägung. Momentan lassen wir prüfen, ob und inwiefern ein Straftatbestand im Zusammenhang mit dem Handeln der Polizei in Köln vorliegt.