Werder nur in Bremen, NLZ in die Pauliner Marsch!

Unser SV Werder hatte in seiner Vereinsgeschichte so einige Vereinsstandorte. Doch schon seit fast 100 Jahren liegt Werder Bremen als Stadtteilverein in der Pauliner Marsch. Dort bietet er einen lebendigen und attraktiven Anlaufpunkt für die Stadtbevölkerung, Spieler*innen und Fans. So sollte es sein.
Ob dies in Zukunft auch der Fall ist, ist jedoch unklar. Denn in der Diskussion darum, wo Werders dringend notwendiges Nachwuchsleistungszentrum gebaut werden kann, steht zur Debatte, es vor die Tore der Stadt nach Niedersachsen, oder an den Stadtrand zu setzen. Dies wäre ein fataler Schritt, dessen Auswirkungen nicht vollends abzusehen sind, aber eins nach dem anderen:

Warum ein neues Nachwuchsleistungszentrum?

Werder Bremen braucht dringend ein neues Nachwuchsleistungszentrum, darüber sind sich alle einig.
Erstens drücken schon jetzt die Lizenzvorgaben des DFB, die Werder aktuell nur mit Sondergenehmigungen umgehen darf. Gerade im Hinblick auf einen möglichen Aufstieg der U23 in die dritte Liga und die weitere Professionalisierung der Frauen-Bundesliga wird dieser Weg jedoch nicht mehr lange gangbar sein. Unter anderem gehören Presseräume, Kameraplätze, Stellplätze für TV- und Satellitenwagen zum Mindeststandard und müssen auf dem Gelände bereitgestellt werden.
Und zweitens muss eine moderne Infrastruktur für die Nachwuchsförderung her, um langfristig sportlich erfolgreich zu sein. Die aktuelle Anlage auf Platz 11 ist jedoch seit Jahrzehnten veraltet, bietet weder ausreichend Kapazitäten noch eine ausreichend moderne Ausstattung. Sie stammt aus den 60er Jahren und bietet deutlich zu wenig Nutzungsfläche, um eine moderne Entwicklung und Ausbildung von jungen Talenten zu gewährleisten. So kann Werder Bremen jungen Spieler*innen in ihrer Entscheidung pro oder contra Werder kaum etwas bieten. Denn selbst den Werder-Frauen in der ersten Bundesliga stehen nicht einmal eigene Umkleidekabinen zur Verfügung, geschweige denn all die Einrichtungen, die der DFB fordert. Werder Bremen droht, im fußballerischen Wettbewerb vollends abgehängt zu werden, wenn es nicht gar schon zu spät ist. Der einjährige Zweitliga-Ausflug könnte dann langfristig Realität werden.

Werder und Bremen gehören zusammen

Nun wird seit Monaten und Jahren darüber gestritten, wo der richtige Ort für dieses Bauunternehmen liegt. Dabei ist die Antwort eigentlich klar: Das Nachwuchsleistungszentrum gehört in die Pauliner Marsch, an die Seite des Weserstadions, das so tagtäglich genutzt wird und ein lebendiger Ort bleibt. Denn mit der Abwanderung des Nachwuchsleistungszentrums ins Umland bestünde auch die reelle Gefahr, dass langfristig die gesamte Infrastruktur, das ganze Tagesgeschäft Werder Bremens, dorthin verlegt wird. Inklusive des Trainingsbetriebs der Profi-Männer. Damit würde das Weserstadion nur noch zu Spieltagen genutzt und verkäme zu einem ähnlich seelenlosen Ort wie so einige andere Stadien in der Bundesliga, die außerhalb der Städte an Autobahnen oder Industriegebieten gelegen sind.
Ein solches Szenario wäre eine Katastrophe für Verein und Stadt. Der SV Werder kommt aus dem und gehört ins Herzen Bremens. Er ist eines der wichtigsten Identifikationsmerkmale und zieht durch seine Attraktivität Menschen aus ganz Deutschland an, mal für Heimspiele, mal für ein ganzes Leben. Selbst die Bremer Touristik-Zentrale wirbt mit Slogans wie „Weser, Werder, Weinfest“ und Ankommende werden auf Schildern in der „Werder-Stadt“ willkommen geheißen. Viele Menschen in Bremen sind Werder-Fans geworden, weil sie einen direkten Draht zum Verein haben. Auf einem einfachen Spaziergang in die Pauliner Marsch, beim Besuch des Fanshops am Weserstadion oder des Vereinsmuseums läuft man den Spieler*innen beinahe täglich über den Weg. Kindern und Eltern ist es möglich, bei Trainingseinheiten der Profis vorbeizuschauen und ihren Stars nah zu sein. Ohnehin steht das Weserstadion und seine Umgebung im Grüngürtel entlang der Weser als beliebtes Ausflugsziel für den Sonntagsspaziergang hoch im Kurs. Mit alledem wäre es vermutlich vorbei, sollte die Infrastruktur ins Umland verlegt werden, denn ein toter, anonymer Ort lässt die Herzen nicht mehr höherschlagen.

Frauenförderung, Breitensport und Stadtbevölkerung

Und auch über das Fandasein hinaus hätte ein zentrales Nachwuchsleistungszentrum eine wichtige Rolle in der Stadt Bremen. Denn nicht nur soll es als Ausbildungsstätte für den Nachwuchs, sondern auch als endlich angemessenes Zuhause für die Werder-Frauen genutzt werden. Gerade ihnen gegenüber wäre es ein Affront, den Profi-Männern einen prominenten und zentral gelegenen Platz zuzugestehen, während sie selbst an den Stadtrand gedrängt würden.
Von den Sportangeboten und der Talent-Förderung in der Pauliner Marsch würden darüber hinaus auch Jugendliche und Kinder aus ganz Bremen profitieren. Dieser Standort ist nicht nur aus dem Viertel und Stadtzentrum, sondern auch für weiter außen gelegene Stadtteile mit ungefähr gleichem zeitlichen Aufwand erreichbar. Für Orte wie die Galopprennbahn, Horn-Lehe oder gar Weyhe gilt das nicht. Sollte die Talent-Schmiede also ins Bremer Umland oder an den Stadtrand verlegt werden, dürfte es gerade für die finanziell benachteiligten Familien in Bremen eine große Hürde sein, Anfahrtswege für den Sport ihrer Kinder in Kauf zu nehmen. Nicht nur Breitensport-Treibende und Schulen, die fest in der östlichen Vorstadt verankert sind, auch Kinder und Jugendliche mit Leistungssport-Ambitionen sollten in der Pauliner Marsch die Möglichkeit erhalten, Sport treiben zu können.
Und ohnehin: Schulen, die schon jetzt Platz 11 für den Sportunterricht nutzen, hätten bei Bau des NLZ in der Pauliner Marsch Zugang zu modernisierten Umkleidekabinen, Duschen und Lagerräumen, sowie grundsätzlich mehr Zeit und Möglichkeiten, den Sportplatz zu nutzen, da er nicht mehr für den Spielbetrieb und dessen Vorbereitung genutzt würde.
Und auch das Naherholungsgebiet entlang der Weser würde profitieren: Nicht nur legt Werder viel Wert darauf, den Grüngürtel zu erhalten, sondern plant im Vergleich zum aktuellen Betrieb sogar, es weiter zu beruhigen. In einem der exemplarischen Pläne würde das Nachwuchsleistungszentrum beispielsweise näher an den Deich heran und damit aus dem Kleingartengebiet an der Weser herausgezogen. Dadurch würde dort weniger Belästigung durch Polizeieinsätze und Fantrennung stattfinden und noch mehr Ruhe als bisher einkehren.

Wo ist das Problem?

Was steht dem Bau des NLZ in der Pauliner Marsch dann eigentlich noch im Wege? Wie das für einen legitimen demokratischen Prozess wichtig ist, wurden schon jetzt verschiedene Interessensgruppen in die Planungen des NLZ miteinbezogen. Das ist ethisch richtig und verhindert, dass Wirtschaftsunternehmen ihre Interessen über das der Stadtbevölkerung stellen. Dass, wie es aktuell scheint, jedoch einzelnen Personen womöglich ein Vetorecht für eine so gesellschaftlich relevante Frage eingeräumt wird, ist nicht zeitgemäß und auch in diesem Sinne undemokratisch. Die Regelung aus dem vorherigen Jahrhundert mutet dem Schalten und Walten eines Großgrundbesitzers an und ist dringend zu überarbeiten. Teilweise wird im Prozess der Standortfindung mit absurden Argumenten versucht, ein vielversprechendes und für unterschiedliche Interessensgruppen überlebenswichtiges Projekt zu blockieren. Ob es die angebliche Sorge um die Skatenden ist, die die riesige Betonfläche vor dem Weserstadion nutzen (und dies auch bei Bau des Nachwuchsleistungszentrums weiterhin könnten) oder die grundlose Sorge um zunehmenden Verkehr (obwohl der Spielbetrieb nicht häufiger würde). Es lässt sich vermuten, dass Einzelpersonen hier mit vorgeschützten Argumenten ihre eigenen Interessen vor die Belange der breiten Öffentlichkeit stellen. Auch eine grundsätzliche Ablehnung von Veränderung lässt sich bei einigen Beteiligten ausmachen, die mit einer zukunftsgerichteten Stadtplanung nur wenig zu tun zu hat. Beides ist absolut kritikwürdig und es muss schnellstmöglich eine Lösung im Sinne der Allgemeinheit her.

Denn das Nachwuchsleistungszentrum gehört in die Pauliner Marsch.

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